Hierarchieorientierte vs. Niveauorientierte Kompetenzmodelle  Welcher Ansatz passt zu Ihrem Unternehmen?

 

Hierarchieorientierte und niveauorientierte Herangehensweise bei der Entwicklung von Unternehmenskompetenzmodellen

In der heutigen dynamischen Arbeitswelt sind die Kompetenzen der Mitarbeitenden mehr denn je der Schlüssel zum Unternehmenserfolg. Sie bilden das Fundament für Innovation, Agilität und Wettbewerbsfähigkeit. Doch wie können Unternehmen sicherstellen, dass sie die richtigen Kompetenzen zur richtigen Zeit am richtigen Ort haben? Hier kommen Kompetenzmodelle ins Spiel. Sie sind ein zentrales Instrument des strategischen Personalmanagements und der Personalentwicklung, um Kompetenzen systematisch zu definieren, zu messen, zu entwickeln und zu managen.

Ein gut durchdachtes Kompetenzmodell schafft Transparenz über die im Unternehmen benötigten Fähigkeiten und Verhaltensweisen. Es dient als gemeinsame Sprache und Referenzrahmen für eine Vielzahl von HR-Prozessen – von der Personalauswahl über die Leistungsbeurteilung bis hin zur Nachfolgeplanung und strategischen Personalentwicklung.

Doch Kompetenzmodell ist nicht gleich Kompetenzmodell. Eine der grundlegendsten und oft übersehenen Weichenstellungen bei der Konzeption ist die Art und Weise, wie unterschiedliche Ausprägungsgrade oder Niveaus einer Kompetenz abgebildet werden. Soll sich die Abstufung primär an der organisationalen Hierarchie orientieren? Oder soll sie den individuellen Professionalisierungsgrad – den Weg vom Novizen zum Experten – in den Mittelpunkt stellen?

Dieser Artikel beleuchtet genau diese zentrale Frage. Wir grenzen zunächst die grundlegenden Begriffe „Kompetenzstrukturmodell“ und „Kompetenzniveaumodell“ voneinander ab. Anschließend tauchen wir tief in die beiden Hauptperspektiven zur Gestaltung von Kompetenzniveaus ein: die hierarchieorientierte und die niveauorientierte Herangehensweise. Wir analysieren ihre jeweiligen Definitionen, Vor- und Nachteile für die praktische Personalarbeit und zeigen auf, wie sie sich sinnvoll kombinieren lassen. Anhand praktischer Beispiele illustrieren wir die unterschiedlichen Operationalisierungen und schließen mit einem Fazit sowie konkreten Empfehlungen für Ihre Unternehmenspraxis.

 

1. Basis schaffen: Kompetenzstrukturmodelle vs. Kompetenzniveaumodelle

Bevor wir uns den verschiedenen Arten von Niveaumodellen widmen, ist es wichtig, zwei grundlegende Bausteine von Kompetenzmodellen zu unterscheiden:

  • Kompetenzstrukturmodelle: Diese Modelle beantworten die Frage: Welche Kompetenzen sind für unser Unternehmen oder für bestimmte Rollen relevant? Sie definieren die einzelnen Kompetenzen (z. B. „Kommunikationsfähigkeit“, „Problemlösung“, „Kundenorientierung“, „Digitale Kompetenz“) und beschreiben deren inhaltliche Bedeutung. Sie analysieren auch die dimensionale Struktur von Kompetenzbereichen – also ob eine übergreifende Kompetenz (z. B. „Führungskompetenz“) aus mehreren unterscheidbaren Teilkompetenzen besteht (z. B. „Mitarbeiter motivieren“, „Strategisch denken“, „Entscheidungen treffen“). Die Entwicklung eines Strukturmodells basiert idealerweise auf einer sorgfältigen Analyse der strategischen Ziele, der Unternehmenskultur und der spezifischen Arbeitsanforderungen (z. B. durch Interviews, Workshops, Arbeitsplatzanalysen). Es legt fest, was gemessen oder entwickelt werden soll.
  • Kompetenzniveaumodelle: Diese Modelle bauen auf den Strukturmodellen auf und beantworten die Frage: Wie gut beherrscht eine Person eine bestimmte Kompetenz? Sie dienen der Spezifizierung unterschiedlicher Ausprägungsgrade oder Fähigkeitsstufen innerhalb einer definierten Kompetenz. Sie ermöglichen es, zu differenzieren, ob jemand beispielsweise über grundlegende, fortgeschrittene oder exzellente Kommunikationsfähigkeiten verfügt. Niveaumodelle beschreiben, welches beobachtbare Verhalten, auf welcher Stufe erwartet wird und ermöglichen so eine differenzierte Bewertung und Entwicklung.

Die Unterscheidung ist zentral: Das Strukturmodell liefert das „Was“, das Niveaumodell das „Wie gut“. Dieser Artikel konzentriert sich auf die verschiedenen Möglichkeiten, das „Wie gut“, also die Kompetenzniveaus, zu konzipieren und zu operationalisieren.

 

2. Zwei Wege zur Abstufung: Hierarchieorientierung vs. Niveauorientierung

Bei der Gestaltung von Kompetenzniveaumodellen haben sich in der Unternehmenspraxis zwei grundlegende Perspektiven etabliert:

a) Hierarchieorientierte (Unternehmens-)Kompetenzmodelle: Hier orientiert sich die Abstufung der Kompetenzanforderungen primär an der Position in der Organisationshierarchie.

b) Niveauorientierte (Unternehmens-)Kompetenzmodelle: Hier orientiert sich die Abstufung am Professionalisierungsgrad oder der Beherrschungstiefe einer Kompetenz, unabhängig von der hierarchischen Position (oft nach dem Novizen-Experten-Prinzip).

Beide Ansätze haben ihre Berechtigung, ihre spezifischen Stärken und Schwächen und führen zu unterschiedlichen Schwerpunkten in der Personalarbeit. Schauen wir sie uns genauer an.

 

3. Der hierarchieorientierte Ansatz: Kompetenzen für die Stufe

  • Definition & Konzept: Hierarchieorientierte Kompetenzmodelle definieren die erwarteten Kompetenzen oder deren Ausprägungsgrad basierend auf der formalen Stellung einer Person im Organigramm. Sie gehen davon aus, dass jede Hierarchieebene (z. B. Sachbearbeiter, Teamleiter, Abteilungsleiter, Bereichsleiter, Geschäftsführung) spezifische Verantwortlichkeiten und Aufgaben hat, die ein entsprechendes Kompetenzprofil erfordern (vgl. Charan, Drotter & Noel, 2001). Die Kompetenzanforderungen steigen typischerweise mit der Hierarchieebene an.
  • Fokus & Merkmale:
    • Der Fokus liegt auf den Anforderungen der Rolle und Position.
    • Oft werden bestimmte Kompetenzen erst ab einer gewissen Hierarchiestufe als relevant erachtet (z. B. „Strategische Unternehmensführung“ für das Top-Management).
    • Bei übergreifenden Kompetenzen (z. B. „Kommunikationsfähigkeit“, „Entscheidungsfindung“) wird das erwartete Niveau implizit oder explizit an die Hierarchiestufe gekoppelt. Von einer Führungskraft wird z. B. eine höhere Ausprägung an Überzeugungskraft erwartet als von einem Berufseinsteiger.
    • Die Beschreibungen der Kompetenzausprägungen sind oft eher allgemein gehalten und auf die typischen Aufgaben der jeweiligen Ebene zugeschnitten.
    • Dieser Ansatz ist eng mit traditionellen Führungslaufbahnen und der dazugehörigen Vergütungsstruktur verknüpft.
  • Vorteile für die Personalarbeit:
    • Klare Strukturierung: Schafft eine klare und oft leicht verständliche Verbindung zwischen Hierarchieebene und Kompetenzanforderung.
    • Unterstützung für Beförderung & Nachfolge: Bietet eine klare Basis für Beförderungsentscheidungen und die Planung von Führungskräftenachfolge. Es wird deutlich, welche Kompetenzen für den nächsten Karriereschritt (auf der Führungslaufbahn) entwickelt werden müssen.
    • Basis für Vergütung: Kann relativ einfach an hierarchiebasierte Vergütungssysteme (Grading) gekoppelt werden.
    • Rollendefinition: Hilft bei der klaren Definition von Rollen und Verantwortlichkeiten auf verschiedenen Managementebenen.
  • Nachteile & Limitationen:
    • Vernachlässigung von Fachexpertise: Fokussiert stark auf die Führungslaufbahn und kann die Entwicklung und Anerkennung von tiefgehender Fachexpertise vernachlässigen, die nicht notwendigerweise mit Personalverantwortung einhergeht.
    • Grobe Abstufung: Die Niveaubeschreibungen sind oft nicht granular genug, um feine Unterschiede in der Kompetenzausprägung auf derselben Hierarchieebene zu erfassen oder detaillierte individuelle Entwicklungspläne abzuleiten.
    • Wenig Flexibilität: Kann rigide wirken und die horizontale Entwicklung oder den Wechsel zwischen Fach- und Führungslaufbahnen erschweren.
    • Implizite Annahmen: Setzt oft voraus, dass höhere Hierarchie automatisch höhere Kompetenz in allen Bereichen bedeutet, was nicht immer zutrifft.

 

4. Der niveauorientierte Ansatz: Kompetenzen von Novize bis Experte

  • Definition & Konzept: Niveauorientierte Kompetenzmodelle beschreiben unterschiedliche Stufen der Beherrschung, Tiefe oder Professionalität einer Kompetenz, unabhängig von der formalen hierarchischen Position. Sie orientieren sich oft an entwicklungspsychologischen Modellen wie dem Novizen-Experten-Paradigma (z. B. nach Dreyfus & Dreyfus) oder an Taxonomien wie der von Bloom. Eine Kompetenz wird hier auf einer Skala mit typischerweise 3 bis 5 Stufen abgebildet, die den Lern- und Entwicklungsweg widerspiegeln.
  • Fokus & Merkmale:
      • Der Fokus liegt auf der Tiefe des Verständnisses und der Qualität der Anwendung einer spezifischen Kompetenz.
      • Jede Stufe (z. B. 1=Grundlagen, 2=Fortgeschritten, 3=Kompetent/Selbstständig, 4=Erfahren/Gestaltend, 5=Experte/Innovativ) wird durch konkrete, beobachtbare Verhaltensanker (Behavioral Indicators) beschrieben. Diese Verhaltensanker machen die abstrakte Kompetenz greifbar und messbar.
      • Das Modell ist universell anwendbar auf alle im Strukturmodell definierten Kompetenzen (Fach-, Methoden-, Sozial-, Personalkompetenzen).
      • Es ermöglicht eine sehr differenzierte Erfassung des individuellen Kompetenzprofils einer Person, unabhängig von ihrer formalen Rolle.
  • Vorteile für die Personalarbeit:
      • Detaillierte Diagnostik: Ermöglicht eine präzise Standortbestimmung und Identifikation von Stärken und Entwicklungsfeldern auf individueller Ebene.
      • Gezielte Entwicklung: Bietet eine hervorragende Grundlage für passgenaue individuelle Entwicklungspläne und die Auswahl geeigneter Lernmaßnahmen, da klar wird, welche Verhaltensweisen für das Erreichen der nächsten Stufe notwendig sind.
      • Förderung von Fachexpertise: Ist ideal geeignet, um Fachlaufbahnen (Expert Career Paths) zu gestalten und tiefgehende Expertise sichtbar und wertgeschätzt zu machen.
      • Objektivere Leistungsbeurteilung: Verhaltensanker können die Objektivität und Nachvollziehbarkeit von Leistungs- und Potenzialbeurteilungen erhöhen.
      • Flexibilität: Unterstützt horizontale Entwicklungen und lebenslanges Lernen, da der Fokus auf der Kompetenztiefe liegt.
  • Nachteile & Limitationen:
      • Höherer Entwicklungsaufwand: Die Definition aussagekräftiger und trennscharfer Verhaltensanker für jede Kompetenz und jede Stufe ist aufwendig und erfordert Expertise.
      • Komplexität: Kann in der Anwendung komplexer sein als rein hierarchieorientierte Modelle, sowohl für Führungskräfte als auch für Mitarbeitende.
      • Entkopplung von Hierarchie/Vergütung: Die direkte Kopplung an hierarchiebasierte Vergütungssysteme ist nicht automatisch gegeben und muss ggf. separat gestaltet werden (z. B. über Skill-Based-Pay oder definierte Anforderungen für Fachlaufbahnstufen).
      • Schulungsbedarf: Erfordert oft eine intensivere Schulung von Führungskräften und HR-Personal in der Anwendung (z. B. bei der Durchführung von kompetenzbasierten Interviews oder Beurteilungsgesprächen).

 

5. Gegenüberstellung auf einen Blick

Merkmal

Hierarchieorientiertes Modell

Niveauorientiertes Modell

Primärer Fokus

Anforderungen der Hierarchieebene/Rolle

Beherrschungstiefe/Professionalität der Kompetenz

Abstufung basiert auf

Organisatorische Position

Lern-/Entwicklungsprozess (z. B. Novize-Experte)

Beschreibung der Stufen

Eher allgemein, rollenspezifisch

Detailliert, durch beobachtbare Verhaltensanker

Anwendbarkeit

Oft Fokus auf Management-/Führungskompetenzen

Universell auf alle Kompetenzarten anwendbar

Hauptvorteil

Klarheit für Struktur, Beförderung, Vergütung

Präzision für Diagnostik, Entwicklung, Expertise

Hauptnachteil

Vernachlässigt oft Expertise, grobe Abstufung

Höherer Aufwand, Komplexität, Entkopplung der Hierarchiestufe

Ideal für

Definition von Führungslaufbahnen, Nachfolgeplanung

Individuelle Entwicklung, Fachlaufbahnen, Skill Management

 

6. Synergie statt Entweder-Oder: Die Integration beider Ansätze

Die Gegenüberstellung zeigt: Beide Ansätze haben ihre Berechtigung und ihre spezifischen Stärken. Muss man sich also für einen Weg entscheiden? Nicht unbedingt! In vielen Fällen liegt die optimale Lösung in der intelligenten Kombination beider Perspektiven. Ein integriertes Kompetenzmodell nutzt die Vorteile beider Welten:

  • Grundlage: Niveauorientierte Skalen: Das Fundament bildet ein Set von klar definierten Kompetenzen (Strukturmodell), die jeweils mit einer niveauorientierten Skala (z. B. 1–5) und präzisen Verhaltensankern hinterlegt sind. Dies ermöglicht eine differenzierte Messung und Entwicklung für alle Mitarbeitenden.
  • Verknüpfung: Hierarchie-/Rollenprofile: Für jede definierte Hierarchieebene oder spezifische Schlüsselrolle im Unternehmen werden dann Anforderungsprofile erstellt. Diese Profile legen fest, welche Kompetenzen für diese Position besonders relevant sind und welches Mindestniveau auf der jeweiligen niveauorientierten Skala erwartet wird.
    • Beispiel: Ein Teamleiter (Hierarchieebene) benötigt z. B. die Kompetenz „Mitarbeiterführung“ mindestens auf Niveau 3 und „Projektmanagement“ mindestens auf Niveau 2. Für einen Senior Experten (Fachlaufbahn) könnte hingegen „Analytisches Denken“ auf Niveau 5 und „Wissensvermittlung“ auf Niveau 4 gefordert sein.
  • Duale Laufbahnen: Ein integriertes Modell ist die ideale Basis für die Implementierung von dualen Laufbahnsystemen (Dual Career Ladders). Es ermöglicht, sowohl Führungs- als auch Fachkarrieren attraktiv zu gestalten und die dafür jeweils erforderlichen Kompetenzprofile klar zu definieren und zu entwickeln. Mitarbeitende können so aufsteigen und anerkannt werden, basierend auf ihrer Expertise oder ihrer Führungsverantwortung.

Die Integration schafft somit ein flexibles und zugleich strukturiertes System, das sowohl den organisatorischen Anforderungen (klare Rollenprofile, Nachfolgeplanung) als auch den individuellen Entwicklungsbedürfnissen und der Förderung von Fachexpertise gerecht wird.

 

7. Praxisbeispiel: Operationalisierung der Kompetenz „Problemlösung“

Um die Unterschiede und die Integration greifbarer zu machen, betrachten wir die Kompetenz „Problemlösung“ und wie sie in den drei Ansätzen operationalisiert werden könnte (ausschnittsweise und vereinfacht):

 

a) Rein Hierarchieorientiert:

      • Sachbearbeiter: Erkennt und benennt einfache Probleme im eigenen Arbeitsbereich und meldet sie weiter.
      • Teamleiter: Analysiert Probleme im Team, entwickelt eigenständig Lösungen für operative Herausforderungen und setzt diese um.
      • Abteilungsleiter: Identifiziert komplexe, bereichsübergreifende Probleme, entwickelt strategische Lösungsansätze und steuert deren Implementierung.

Kommentar: Die Beschreibung ist an die typischen Aufgaben der Ebene gekoppelt, aber die Abstufung der Fähigkeit selbst bleibt relativ unspezifisch.

 

b) Rein Niveauorientiert (Skala 1-5):

      • Niveau 1 (Grundlagen): Erkennt offensichtliche Probleme bei Routineaufgaben und folgt vorgegebenen Lösungsschritten oder holt sich Unterstützung.
      • Niveau 2 (Fortgeschritten): Identifiziert auch weniger offensichtliche Probleme im eigenen Bereich. Kann Standardlösungen auswählen und anwenden.
      • Niveau 3 (Kompetent): Analysiert Probleme systematisch (Ursachenforschung). Entwickelt selbstständig passende Lösungen für bekannte und neue Situationen im Fachgebiet.
      • Niveau 4 (Erfahren): Analysiert komplexe, mehrdeutige Probleme. Entwickelt kreative und effiziente Lösungen, auch über das eigene Fachgebiet hinaus. Bewertet Risiken und Chancen von Lösungsalternativen.
      • Niveau 5 (Experte): Antizipiert potenzielle Probleme. Entwickelt innovative, strategische Lösungen für grundlegende oder unternehmensweite Herausforderungen. Schafft Strukturen zur präventiven Problemvermeidung.

Kommentar: sehr detaillierte Beschreibung des Verhaltens auf jeder Stufe, unabhängig von der Position. Ideal für gezielte Entwicklung.

 

c) Kombiniert-Integriert:

      • Das Modell nutzt die 5 Stufen aus b).
      • Anforderungsprofil Sachbearbeiter: Kompetenz „Problemlösung“ wird auf Niveau 2 erwartet.
      • Anforderungsprofil Teamleiter: Kompetenz „Problemlösung“ wird auf Niveau 3 erwartet. Zusätzlich relevant: „Konfliktlösung“ (Niveau 3), „Mitarbeiterführung“ (Niveau 3).
      • Anforderungsprofil Senior Fachexperte (Fachlaufbahn): Kompetenz „Problemlösung“ wird auf Niveau 5 erwartet. Zusätzlich relevant: „Innovation“ (Niveau 4), „Wissensmanagement“ (Niveau 4).
      • Anforderungsprofil Abteilungsleiter: Kompetenz „Problemlösung“ wird auf Niveau 4 erwartet. Zusätzlich relevant: „Strategisches Denken“ (Niveau 4), „Veränderungsmanagement“ (Niveau 4).

Kommentar: Verbindet die differenzierte Skala (niveauorientiert) mit klaren Erwartungen für spezifische Rollen (hierarchie-/rollenorientiert). Ermöglicht sowohl vertikale als auch horizontale Karrierepfade.

 

8. Fazit und Empfehlungen für die Praxis

Die Gestaltung der Niveaustufen ist ein kritischer Erfolgsfaktor für die Wirksamkeit eines Kompetenzmodells. Sowohl der hierarchieorientierte als auch der niveauorientierte Ansatz haben ihre Berechtigung, Stärken und Schwächen.

  • Rein hierarchieorientierte Modelle sind oft einfacher zu implementieren und an bestehende Strukturen (insbesondere Vergütung) zu koppeln, laufen aber Gefahr, Fachexpertise zu vernachlässigen und für die individuelle Entwicklung zu undifferenziert zu sein.
  • Rein niveauorientierte Modelle bieten eine exzellente Basis für präzise Diagnostik und gezielte Entwicklung (insbesondere von Expertise), erfordern aber einen höheren Definitionsaufwand und eine bewusste Gestaltung der Schnittstellen zu Hierarchie und Vergütung.

Für die meisten Unternehmen dürfte ein integrierter Ansatz die zukunftsfähigste Lösung darstellen. Er kombiniert die Strukturklarheit des hierarchieorientierten Ansatzes mit der Entwicklungspräzision des niveauorientierten Ansatzes. Dies schafft ein flexibles System, das sowohl die strategischen Anforderungen des Unternehmens abbildet als auch die individuelle Entwicklung und unterschiedliche Karrierepfade (Führung und Fach) fördert.

 

Unsere Empfehlungen für Ihre Praxis:

  1. Klären Sie Ihre Ziele: Wofür soll das Kompetenzmodell primär eingesetzt werden? (z. B. Führungskräfteentwicklung, Förderung von Fachexpertise, allgemeine Leistungsbeurteilung, Personalauswahl?). Die Zielsetzung beeinflusst die Wahl des passenden Ansatzes oder Integrationsgrades.
  2. Analysieren Sie Ihre Struktur & Kultur: Passt ein rein hierarchisches Modell noch zur Realität flacherer Hierarchien, agiler Teams und der wachsenden Bedeutung von Fachexperten?
  3. Bevorzugen Sie Integration: Prüfen Sie ernsthaft die Einführung eines integrierten Modells. Definieren Sie Kompetenzen mit klaren niveauorientierten Verhaltensankern und legen Sie dann spezifische Anforderungsniveaus für Schlüsselrollen und Hierarchieebenen fest.
  4. Investieren Sie in Qualität: Nehmen Sie sich Zeit für die sorgfältige Definition der Kompetenzen und insbesondere der Verhaltensanker. Holen Sie dabei Fachexperten und zukünftige Anwender (Führungskräfte, Mitarbeitende) mit ins Boot.
  5. Kommunizieren und Schulen: Ein Kompetenzmodell entfaltet seine Wirkung nur, wenn es verstanden und akzeptiert wird. Kommunizieren Sie den Zweck und die Funktionsweise klar und schulen Sie Führungskräfte und HR-Mitarbeitende intensiv in der Anwendung.
  6. Evaluieren und Anpassen: Kein Modell ist für die Ewigkeit. Überprüfen Sie regelmäßig die Aktualität und Wirksamkeit Ihres Kompetenzmodells und passen Sie es bei Bedarf an veränderte strategische Anforderungen an.

 

Indem Sie die Strukturierung von Kompetenzniveaus bewusst gestalten und idealerweise die Stärken beider Ansätze kombinieren, legen Sie einen wichtigen Grundstein für ein effektives Talentmanagement und eine zukunftsorientierte Personalentwicklung in Ihrem Unternehmen.

 

Quellen
  • Behrendt, S., Abele, S., & Nickolaus, R. (2017). Struktur und Niveaus des Fachwissens von Kfz-Mechatronikern gegen Ende der formalen Ausbildung. Journal of Technical Education, 5(1), 47-75. http://www.journal-of-technical-education.de
  • Bloom, B. S. (Hrsg.). (1956). Taxonomy of Educational Objectives: The Classification of Educational Goals. Handbook I: Cognitive Domain. David McKay Company.
  • Charan, R., Drotter, S., & Noel, J. (2001). The leadership pipeline: How to build the leadership-powered company. Jossey-Bass.
  • Draganidis, F., & Mentzas, G. (2006). Competency based management: a review of systems and approaches. Information Management & Computer Security, 14(1), 51-64. https://doi.org/10.1108/09685220610648373
  • Dreyfus, H. L., & Dreyfus, S. E. (1986). Mind over machine: The power of human intuition and expertise in the age of the computer. New York, NY: Free Press.
  • Fischer, M. (2020). Verfahren der Messung beruflicher Kompetenzen/Kompetenzdiagnostik. In R. Arnold, A. Lipsmeier & M. Rohs (Hrsg.), Handbuch Berufsbildung (3., völlig neu bearbeitete Aufl., S. 263–274). Springer VS. https://doi.org/10.1007/978-3-658-19312-6_22
  • Spencer, L. M., & Spencer, S. M. (1993). Competence at work: Models for superior performance. John Wiley & Sons.

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